Der totalitäre Anspruch des Regimes begnügte sich nicht mit der Monopolisierung staatlicher Gewalt und der organisatorischen Erfassung aller sogenannter „Volksgenossen“. Symbol der geistigen Unterwerfung einer ganzen Stadt und ihres öffentlichen Lebens waren nicht weniger als 67 Straßenumbenennungen. Bereits am 21.03.1933 kündigte die Pressestelle der Polizei aus Anlass des „Tages von Potsdam“ die Umbenennung von neun Straßen an. So lag das Rathaus ab jetzt mit Zustimmung des Magistrats am „Adolf-Hitler-Platz“.
Der Führerkult als zentrales Merkmal der nationalsozialistischen Ideologie und seine Aufgipfelung im Mythos des Führers Adolf Hitler führte bereits in der 2. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 19.4.1933 zum Antrag auf Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Adolf Hitler, geschickt flankiert vom gleichen Ansinnen für den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Angesichts der reichsweiten Inflation solcher Ehrungen konnte Bürgermeister Rottmann die Urkunde Hitler erst im Januar 1936 in der Grevenburg übergeben. Ganz zugeschnitten auf die Zustimmung zur Person Adolf Hitler waren auch die sogenannten Volksabstimmungen, von denen die erste bereits am 12. November 1933 stattfand.
Zum 50. Geburtstag Hitlers 1939 gab es nicht weniger als 46 Umbenennungen, in denen die „Großen, Helden und Geistesfürsten“ im nationalsozialistischen Sinn geehrt werden sollten. Gemeint waren u. a. „Blutzeugen des 9. November“, wie die Hitlerputschisten von 1923 nun firmiert wurden. Mit ihren Namen wurden nun demonstrativ die Straßen der ehemals kommunistischen Hochburg Hochlarmark benannt. Im Stadtteil Hillerheide setzte die NSDAP mit dem Otto-Planetta-Platz (Gertrudisplatz), benannt nach dem rechtskräftig verurteilten und hingerichteten NS-Mörder des österreichischen Bundeskanzlers Dollfuß) einen besonders makaberen Akzent. Beseitigt wurden auch an anderen Stellen christliche, nunmehr ideologisch nicht mehr zeitgemäße Bezeichnungen (z. B. Kolping-, Suitbert-, [Paulus]-, Liebfrauenstraße oder Zum Nonnenbusch). Unmissverständliche Symbole des totalitären Anspruchs auf die weltanschauliche Gleichschaltung waren die Umbenennung von Paulusschule und Paulusstraße. Alfred Rosenberg, der weltanschauliche Schulungsleiter der NSDAP, hatte den von den Christen hoch geschätzten Völkerapostel Paulus bereits 1930 für die „gesamte Bastardisierung, Verorientalisierung und Verjudung des Christentums“ verantwortlich gemacht. Nun benannte die Stadt Straße und Schule ausgerechnet nach Ernst vom Rath, jenem Legationsrat, dessen Erschiessung in der Pariser Botschaft propagandistisch zur Entfesselung des organisierten Pogroms gegen die jüdischen Bürger im November 1938 gedient hatte.
[Vgl. 2.1 Adolf-Hitler-Platz, in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 54f]
Wiederherstellung der ehemaligen Straßennamen durch die alliierte Militärregierung. Bekanntmachung für den Stadt- und Landkreis Recklinghausen, Samstag, 9. Juni 1954, StA RE