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Während der NS-Zeit residierten im Haus „Kirchplatz 2 a“ die Kreisleitung der NSDAP und die Leitung der NS-Ortsgruppe Recklinghausen-Mitte; hier befanden sich die Dienststellen des „NS-Lehrer-„ und des „NS-Ärztebundes“ sowie der „NS-Frauenschaft“; hier hatten schließlich der „Reichsbund Deutscher Beamten“ und die „Kreisgerichte I und II“ der NSDAP ihre Büros. Denn hier war die Herrschaftszentrale der „Partei“, wie man im „Dritten Reich“ die NSDAP kurz und bündig nannte. In Recklinghausen hatte die Partei vor 1933 kaum eine Rolle gespielt. Bei den Kommunalwahlen von 1929 erhielt sie z. B. nur einen einzigen Sitz in der Recklinghäuser Stadtverordnetenversammlung. Erst bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 gelang der NSDAP der entscheidende Durchbruch auch in der Vestmetropole:
Die NSDAP war straff nach dem Führerprinzip organisiert. An der Spitze der gesamten Organisation stand der „Führer“. Ihm unterstanden die Reichsleitung der NSDAP und die Gauleiter. Die Gauleiter ernennten ihrerseits die Kreisleiter. Dem Kreisleiter waren wiederum die „Ortsgruppen-„ und „Zellenleiter“ sowie die „Blockwarte“ untergeordnet. Das Amt des Kreisleiters bekleidete in Recklinghausen viele Jahre lang der Obersteuerinspektor Otto Plagemann. Er kontrollierte die Arbeit von zahlreichen „Ortsgruppen“, „Zellen“ und „Blöcken“. Im Stadtbezirk Recklinghausen gab es bis 1939 allein 13 Ortsgruppen, in denen die Parteigenossen der verschiedenen Stadtteile organisiert waren.
Obwohl Recklinghausen während der 30er Jahre dauernd in Finanznöten war, versicherte Bürgermeister Rottmann im Dezember 1938, dass „die Verwaltung bestrebt [sei], nach und nach allen Ortsgruppen der NSDAP des Stadtbezirks ein Parteihaus zu schaffen“. Es war kein Zufall, dass die NSDAP ihr Machtzentrum direkt gegenüber der Propsteikirche St. Peter einrichtete; lag doch der Kirchplatz im Zentrum der Stadt. Der Standort unmittelbar gegenüber der Petruskirche sollte verdeutlichen, dass in Recklinghausen nicht nur die katholische Kirche eine herausragende Rolle im öffentlichen Leben spielte, sondern dass auch die NSDAP fest dazu entschlossen war, ihre Bedeutung für das politische Leben Recklinghausens durch ein „Haus der Partei“ zu dokumentieren. In der katholischen Kirche sahen die Nationalsozialisten nämlich einen ihrer gefährlichsten Gegner. Die meisten strenggläubigen Katholiken Recklinghausens leisteten zwar im engeren Sinne des Wortes keinen aktiven politischen Widerstand mit dem Ziel der gewaltsamen Beseitigung des NS-Regimes, wohl aber erwiesen sie sich als widerständig gegenüber der NS-Weltanschauung und der staatlichen Gleichschaltungspolitik.
Welch wichtige Rolle die Partei bei der Durchsetzung ihrer politischen und weltanschaulichen Ziele in der Recklinghäuser Öffentlichkeit spielte, lässt sich am besten am Beispiel ihres untersten Dienstgrades, des Blockwartes, verdeutlichen. Hatte er zunächst nur die Aufgabe gehabt, die Beiträge der Parteimitglieder einzuziehen, so übernahm er im Laufe der Zeit immer mehr Pflichten; er sammelte die Spenden für die Volkswohlfahrt und das Winterhilfswerk ein, er verteilte seit Kriegsbeginn bisweilen auch Lebensmittel- und Kleiderkarten und achtete schließlich nicht selten darauf, ob jeder Bürger auf der Straße die Hand zum Hitler-Gruß erhob und an hohen Feiertagen die Hakenkreuzfahne hisste. Der Blockwart kannte alle Bewohner seines Bezirks und deren politische Einstellungen. Der Blockwart war sozusagen das Auge und das Ohr der Partei. Nicht wenige Blockwarte führten sogar eine Kartei über das politische Wohlverhalten ihrer Mitbürger und denunzierten gegebenenfalls politisch missliebige Nachbarn bei der Geheimen Staatspolizei. Weil man sich vor ihnen hüten musste, hieß es in der Bevölkerung oft, wenn sich Menschen auf der Straße, beim Einkaufen, beim Friseur oder während des Flugalarms im Bunker unterhielten: „Psst! Der Blockwart hört mit."
[Vgl. 2.2 „Psst! Der Blockwart hört mit!“ Die Allgegenwart der Partei (Ikonenmuseum,) in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 57-59]