2.10 Die „Bekennende Kirche“

Im „Dritten Reich“ bildeten das ev. Pfarrhaus und die Gustav-Adolf-Kirche an der Herner Straße den Mittelpunkt der Recklinghäuser „Bekenntnisgemeinde“. Die Anhänger dieser zahlenmäßig starken Gruppierung wehrten sich seit Beginn der NS-Herrschaft entschieden gegen den Totalitätsanspruch des NS-Staates und widersetzten sich jeder Vermischung des christlichen Glaubens mit Elementen der NS-Weltanschauung, wie sie von den sogenannten „Deutschen Christen“ (DC), gefordert wurden. In diesem Sinne bekannten sich die Mitglieder der BK durch Unterschrift unter eine Beitrittserklärung, die wegen ihrer roten Farbe „Rote Karte“ genannt wurde, u.a. zu folgenden Grundsätzen: 

  • Wir anerkennen als „alleinige Grundlage der Kirche und ihrer Verkündigung“ nur „die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes nach den reformatorischen Bekenntnisschriften“ und „verpflichten“ uns damit „zum entschlossenen Kampf wider jede Verfälschung des Evangeliums“.
  • Wir verweigern uns dem Totalitätsanspruch des NS-Staates, soweit dieser auch für den Bereich der Kirche erhoben wird und verpflichten uns angesichts der rigorosen Kirchenpolitik, mit deren Hilfe der deutsch-christliche Reichsbischof Müller die Gleichschaltung der ev. Kirche mit dem NS-Staat durchsetzen will, „zum entschlossenen Kampf wider jede Anwendung von Gewalt und Gewissenszwang in der Kirche“.

Zu ihren führenden Köpfen gehörten der Vorsitzende des Bruderrates der Bekennenden Kirche in Recklinghausen, Pfarrer Wilhelm Geck, Pastor Paul Bischoff und die Hilfsprediger Heinrich Strothmann und Wilhelm Stratmann. Ihr Bekenntnis zur Freiheit der Kirche und ihrer Verkündigung im NS-Staat manifestierte sich in zahlreichen Akten des Protestes, des Ungehorsams, der Verweigerung und des Widerstandes. Dafür einige Beispiele:

  • Im Dezember 1933 protestierte Pfarrer Wilhelm Geck, damals sowohl ev. Stadtjugendpfarrer in Recklinghausen als auch Landesführer der Evangelischen Jugend in Westfalen, öffentlich gegen die Eingliederung der Evangelischen Jugend in die Hitler-Jugend. Der Recklinghäuser Polizeipräsident erteilte Geck daraufhin im Namen des Oberpräsidenten der Provinz Westfalen „eine Verwarnung“ und fügte hinzu, „dass im Wiederholungsfall schärfere Maßnahmen unausweichlich sein würden“. Später drohte die Gestapo Wilhelm Geck mit der Einweisung in ein Konzentrationslager.
  • Am 7. Januar 1934 hörten die Besucher des Frühgottesdienstes in der Gustav-Adolf-Kirche eine Abkündigung der Bekennenden Kirche gegen den sog. „Maulkorberlass“ des deutsch-christlichen Reichsbischofs Ludwig Müller. Müller wollte mit diesem Erlass allen Pfarrern verbieten, öffentliche Kritik an der regimefreundlichen Reichskirchenregierung zu üben.
  • Im August 1936 verlas der Hilfsprediger Stratmann eine Kanzelabkündigung, mit der die Leitung der Bekennenden Kirche u. a. gegen „die Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens, gegen die planmäßige Entchristlichung des Deutschen Volkes“, gegen „die Entwertung des Stimmzettels und des Rechts“ sowie gegen den Antisemitismus protestierte. Stratmann wurde daraufhin von den Deutschen Christen als „Hochverräter“ und „Staatsfeind“ gebrandmarkt und musste bald darauf Recklinghausen verlassen.
  • Im Frühjahr 1938 hielt Pfarrer Wilhelm Geck in der Gustav-Adolf-Kirche einen Fürbittengottesdienst für kurz zuvor inhaftierten Martin Niemöller, den führenden Kopf der Bekennenden Kirche in Deutschland. Wilhelm Geck und einige andere Bekenntnispfarrer des Kirchenkreises Recklinghausen unterschrieben damals eine Erklärung, in der es u. a. hieß: „Pfarrer Martin Niemöller hat seine Pflicht getan […]. Was darum unserem Bruder Niemöller um Jesu Christi willen widerfährt, das trifft uns alle, seine Schmach ist unsere Schmach“. Die Unterzeichner dieser Erklärung wurden daraufhin alle wegen Verstoßes gegen das „Heimtückegesetz“ vom 20.12.1934 angeklagt und mit Haft bedroht; als Adolf Hitler 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselte, amnestierte er sie jedoch. Der „Führer“ wollte jetzt offenbar keine Märtyrer.

Die Mitglieder der Bekennenden Kirche verstanden sich während der NS-Zeit nicht primär als politisch motivierte Widerstandskämpfer; wohl aber verstanden sie sich als kirchenpolitisch motivierte Gegner der NS-Gleichschaltungspolitik und als „Kämpfer“ für die Freiheit der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus in der deutschen Öffentlichkeit. Die Politik v. a. jede Parteipolitik, wollten die Bekenntnischristen aus der Kirche heraushalten. Ihre Losung lautete deswegen nicht von ungefähr: „Kirche muss Kirche bleiben!“.

[Vgl. 2.11  Vgl. „Die Gustav-Adolf-Kirche, „Hochburg“ der „Bekennenden Kirche“, in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…" Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 75-76]

 

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