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In die um die Jahrhundertwende von der wohlhabenden Recklinghäuser Familie ten Hompel Am Lohtor 12 erbauten Villa zog im Februar 1938 die Kreismütterschule ein. Der Umbau wurde vom NS-Frauenwerk vorgenommen. Seit 1933 war das „Deutsche Frauenwerk“ Dachverband der gleichgeschalteten Frauenverbände. Der Umbau stellte, wie die Zeitung schrieb, das „Musterbeispiel einer praktischen und schönen Heimgestaltung“ dar. „Die angehenden Mütter und Frauen, die hier geschult werden sollen, werden sicherlich hier starke Anregungen erhalten, sich ihr Heim auch so geschmackvoll zu gestalten.“ Zu diesem Zweck wurden auch die Kurse in der neuen Kreismütterschule, der elften im Gau Westfalen Nord, angeboten. Vor dem Umbau musste die Leiterin der Mütterschule „von Ortsgruppe zu Ortsgruppe wandern“, um die Kurse zu leiten. Jetzt konnte zumindest für das Stadtgebiet diese „Wanderschaft“ beendet werden. Hier sollte die Frau unter der Führung der NS-Frauenschaft „hauswirtschaftlich, volkswirtschaftlich und weltanschaulich“ geschult werden.
Künftig sollte es die Pflicht einer jeden Braut werden, diese Schule zu durchlaufen, wie es schon Pflicht für solche Bräute war, die Ehestandsdarlehen beantragt hatten. Mehrwöchige Kurse zum Kochen, Nähen, zur Säuglings- und häuslichen Krankenpflege, Erziehungslehre mit Anleitung zum Basteln, Heimgestaltung, zum Volksbrauchtum und zur Rasse- und Vererbungslehre bereiteten die Frauen auf ihre künftige Aufgaben vor. Bereitwillig kamen denn auch die örtlichen NS-Herrscher zur Einweihung, um die ideologisch begründete Verpflichtung der Frau an den Kochlöffel und das Kinderbett zu feiern: NSDAP-Kreisleiter Plagemann, Polizeipräsident SA-Brigadeführer Vogel, Gauinspekteur Barthel, Bürgermeister Rottmann und andere.
Die bürgerlich-konservative Anschauung, die in antiemanzipatorische Weise die Rolle der Frau auf die Funktion als Mutter und Hausfrau reduzierte, wurde von der nationalsozialistischen Ideologie vollständig übernommen und noch verschärft durch das rassistische Zuchtdenken und die bevölkerungspolitische Vorbereitung auf den Krieg, wobei der Frau als „Substanzwahrerin“ des deutschen Volkes größte Bedeutung zukam. Diese propagandistische Aufwertung hatte, wie die des Arbeiterstandes, den Zweck, die Frauen an die Herrschafts- und Kriegsziele des Nationalsozialismus zu binden. So formulierte Hitler auf dem Parteitag von 1934: Was der Mann an Opfern bringt im Ringen seines Volkes, bringt die Frau an Opfern im Ringen um die Erhaltung dieses Volkes.“
Von der Frau wurde die Mutterschaft verlangt, eigenständig entschiedene Kinderlosigkeit als „Fahnenflucht“ ausgelegt. Die politische Erziehung der Mädchen und Frauen bis zum Alter von 21 Jahren oblag dem Bund Deutscher Mädel (BDM), bei dem seit 1938 auch Sonderlehrgänge für die 17 bis 21jährigen Frauen eingerichtet worden waren, wie „Glaube und Schönheit“, die zur Vorbereitung auf die Hausfrauen- und Mutterrolle ebenfalls Körperpflege, Haushalt, Erziehung und Wohnungsgestaltung beinhalteten.
Zum 10jährigen Bestehen des Gaues Westfalen luden die örtlichen Führer am 3. Januar 1941 viele Prominente nach Recklinghausen in den Saalbau, etwa Reichsjugendführer Axmann, aber auch die BDM Reichsreferentin Jutta Rüdiger. Sie erklärte in Bezug auf den Anteil der Frauen und Mädchen in der bisher so erfolgreichen Kriegsführung Hitlers, des „größten Führers aller Zeiten“: „Während die Ausrichtung der männlichen Jugend auf das Schwert, auf Leistung und Arbeit abgestellt war, hatte die Frau die Aufgabe, den Glauben an die Sendung des deutschen Volkes zu vertiefen. Körper, Charakter und Geist waren und sind die Ziele der Ausrichtung, die sich am klarsten unter dem Begriffe weltanschaulicher Schulung und Leibesertüchtigung zusammenfassen lassen. Kein BDM-Mädel ist erwerbslos gewesen. Sie haben in den Fabriken und Werkstätten gearbeitet und vor allem in den erzieherischen Berufen viel geleistet, vor allem auch die wichtige Vorbereitung auf die Siedlung in den neuen Ostgebieten eingeleitet.“
Viele nicht nur in den Nazi-Verbänden organisierte Frauen nahmen dieses Frauenbild offensichtlich nicht kritiklos hin, vor allem nicht die Zurückdrängung aus gesellschaftlicher Verantwortung und Führungspositionen; denn einen Tag später griff die Reichsfrauenführerin Gertrud Scholz-Klink die Frage der politischen Bedeutungslosigkeit der Frauen in der NS-Männergesellschaft indirekt auf. Die blonde, blauäugige, dem Führer ergebene sechsfache Mutter musste allerdings zu rhetorischen Spitzfindigkeiten greifen, um die Arbeit der Frau zur politischen Großtat werden zu lassen. Sie beschrieb sie als „eine politische Aufgabe, die wir mitten im Alltag lösen, und an der auch die Frau mitschafft. Und wenn sie in ihrem Umkreis die Wirtschaft gut versorgt, die Kinder sauber hält, sie arbeiten lehrt und sie zu tüchtigen Menschen heranzieht –hat sie das nicht für Deutschland getan? Ist das also nicht eine politische Aufgabe, die sie erfüllt? Nicht ein hohes Amt im Staat oder Partei macht es – vor Gott und dem Führer ist jede Arbeit gleichwertig …“
Aus seinen „volkspolitischen“ Gründen hat Hitler es bis zum Kriegsende abgelehnt, die deutschen Frauen in umfangreicher Zahl in Wirtschaft und Industrie als Ersatz für die im Krieg befindlichen Männer einzusetzen. Um die Rüstungswirtschaft funktionsfähig zu erhalten, blieben nur die Erhöhung der Arbeitsintensität, was allerdings zum Unmut in der Arbeiterschaft und damit zur Gefährdung des ohnehin nicht hoch eingeschätzten Konsens zur Kriegsführung geführt hätte oder als letzte Möglichkeit der Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen. Auf Druck der Wirtschaft entschied sich die nationalsozialistische Führung für diese letzte Variante, insbesondere nach dem Verlust der Kriegsinitiative Ende 1941. Etwa acht Millionen Zwangsarbeiter und Gefangene wurden als Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten nach Deutschland gebracht.
Ein Viertel von ihnen waren Frauen. Ihre Arbeitsverhältnisse in Deutschland waren von rassistischer Gewalt und Ausbeutung gekennzeichnet. In Recklinghausen arbeiteten sie in der Landwirtschaft, der Industrie und dem Bergbau. Ihr Durchschnittsalter lag unter 20 Jahre. Die jungen Frauen und Mädchen waren tausende Kilometer getrennt von ihren Familien, wenn sie noch existierten, auf der Suche nach Geborgenheit, Freundschaft und Sicherheit Gefahren und Willkür ausgesetzt. Von deutschen und ausländischen Männern, Lagerführern, Gestapobeamten usw. bedrängt und unter Druck gesetzt, begann für sie oftmals durch Vergewaltigungen und ungewollte Schwangerschaften eine lebensbegleitende Leiderfahrung. Für die ausländischen Frauen wurden Ausnahmen des Abtreibungsverbotes erlassen, ja sogar ein Abtreibungslager in Waltrop eingerichtet, bei dem bis Kriegsende etwa 2000 Frauen ihre Kinder verloren (nur die „gutrassischen“ Kinder konnten nach „rassekundlichen“ Untersuchungen überleben).
An ihrer Ausbeutung verdeutlicht sich die Kehrseite des nationalsozialistischen Frauenbildes. Himmler bemerkte anlässlich einer SS-Gruppenführertagung am 4. Oktober 1943: „Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird. Wir werden niemals roh und herzlos sein, wo es nicht sein muss; das ist klar. Wir Deutsche, die wir als einzige auf der Welt eine anständige Einstellung zum Tier haben, werden ja auch zu diesen Menschentieren eine anständige Einstellung einnehmen, aber es ist ein Verbrechen gegen unser eigenes Blut, uns um sie Sorge zu machen …“
[Vgl. 2.22 „Glaube und Schönheit“. Die Kreismütterschule (Ten Hompelsche Villa, Am Lohtoir 12), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst...“, Stätten der Herrschaft, Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 106-108]