Auf dem Waldfriedhof in Hochlarmark liegen neben den vor allem russischen Zwangsarbeitern auch 106 russische Kriegsgefangene begraben, die in den Jahren ihrer Gefangenschaft und ihres Arbeitseinsatzes von 1942 bis 1945 auf der Zeche Recklinghausen II und anderen Betrieben zu Tode gekommen sind. Aus dem Friedhofsbuch geht hervor, dass die Kriegsgefangenen von Stammlagern (Stalags) aus in die Arbeitskommandos nach Recklinghausen geschickt wurden: Arb.Kom. 661, Wanner Straße, Arb.Kom. 662 Suderwich, Arb.Kom. 663 Pöppinghausen, Arb.Kom. 1247, Bochumer Straße 250. Sie unterstanden der Wehrmacht. Diese organisierte über ihre Wehrkreise den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen. Recklinghausen lag im Bereich des Wehrkreises VI Münster, der Teile des Emslandes, Westfalens und des Rheinlandes umfasste, sich also nicht an Verwaltungsgrenzen orientierte. Die meisten russischen Kriegsgefangenen kamen vom Stalag VIK 326, Senne und Hemer.
Während vor allem von Hemer (Stalag VI A) die Gefangenen für den Ruhrbergbau „verwaltet“ wurden, war Senne das Durchgangslager (Dulag) für den gesamten Wehrkreis VI. Von hier aus leitete man die aus der Sowjetunion transportierten Gefangenen in die Stalags des Wehrkreises VI oder in andere Wehrkreise. Von den Stalags aus wurden Arbeitskommandos gebildet, die sich in kleineren Lagern bis zu einigen Hundert Gefangenen in der Nähe der Industriebetriebe befanden, zum Beispiel das Lager auf der Hillerheide oder das Lager auf dem Gelände der Zeche Recklinghausen II. Westgefangene wie Franzosen konnten auch in ländlichen Lagern oder Schulen (Maristenschule) untergebracht sein.
Die Behandlung der russischen Kriegsgefangenen war äußerst brutal und unmenschlich, eine Folge der rassistischen Ideologie der Nationalsozialisten, die die slawischen Völker als „Untermenschen“ bezeichnete.
Bis zum Jahreswechsel 1941/42 kamen etwa 1 Million russischer kriegsgefangener Soldaten bereits in den besetzten Gebieten der Sowjetunion ums Leben. Man ließ sie erfrieren, verhungern oder brachte sie um. Hitler hatte gehofft, die Sowjetunion im Blitzkrieg zu erobern. Die wirtschaftlichen Ressourcen der UdSSR sollte die Kriegsführung im Westen gegen England ermöglichen, die Bevölkerung sollte versklavt und in ferne Gebiete vertrieben werden. Mit dem Scheitern dieser Strategie war Deutschland gezwungen, den Verlust an männlichen Arbeitskräften durch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus dem Osten zu ersetzen. Anfang 1942 kamen die ersten nach Recklinghausen.
Ein Hochlarmarker Zeitzeuge berichtet: „Wie die Ostarbeiter sichtbar gekennzeichnet, so verfuhr man auch mit den russischen Kriegsgefangenen. Ihnen malte man einfach mit weißer Farbe auf die Rückenpartie ihrer Kleidung die Buchstaben „SU“ für Sowjetunion (…).“
Eine Hochlarmarkerin, die in der Lagerküche eines in der Nähe von Hochlarmarks gelegenen Kriegsgefangenlagers beschäftigt war, beschreibt, was sie dort gesehen und erlebt hat. Das Lager wurde von der Wehrmacht bewacht. Nach ihrer Darstellung gab es unter den wachhabenden Soldaten Scheusale, die die Russen unmenschlich behandelten; andere Wachsoldaten versuchten im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Gefangenen human zu behandeln. „Die Ernährung der Gefangenen war katastrophal. Sie erhielten nur ein Stück Brot und eine Wassersuppe, die Salz, Kartoffeln und ein bisschen Schmalz und viel „Kappes“ enthielt, jedoch kein Fleisch (…). Russische Kriegsgefangene waren in Hochlarmark nur dann zu sehen, wenn sie zu einer Arbeitsstelle außerhalb des Lagers geführt wurden. Dabei fiel auf, dass einige Gefangene den Blick suchend nach unten auf die Straße gerichtet hatten. Erspähte ein Gefangener eine auf der Straße liegende Zigarettenkippe oder einen Zigarettenstummel, so stürzte er aus der Gruppe heraus, hob den rauchbaren Rest auf und ordnete sich schnell wieder ein.“
Gegen Kriegsende mit der Steigerung des Terrors, wurde viele Kriegsgefangene, von denen die Nazis glaubten, sie seien Kommissare oder Kommunisten in Blitzaktionen ermordet. Auch der Kreis Recklinghausen bildete hier keine Ausnahme. Ein Zeitzeuge berichtet: „Bei Kriegsende hat man drei oder vier Tage bevor die Amerikaner kamen, die Gefangenen von „Blumenthal“ in die Lüneburger Heide gebracht. Heute liegen sie alle in Bergen-Hohne. August Teiler, der in meiner Nachbarschaft gewohnt hatte, war bei dem Transport dabei gewesen. Er hat mir darüber berichtet: „Ernst, wir kamen mit den Leuten an, die Kuhlen waren schon fertig ausgehoben, die SS-Leute standen bereit. Die Gefangenen wurden an den Rand der Gruben geführt und sofort erschossen. Ich habe monatelang nicht darüber hinweg kommen können.“
Nach der Befreiung Recklinghausens am 1. April 1945 begann die Rückführung aller Kriegsgefangenen in ihre Heimatländer.
[Vgl. 3.10 „Ein bisschen Schmalz und viel Kappes“ (Waldfriedhof Hochlarmark), in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…" Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 138-140]