Ein weiterer Vortrag thematisiert aus Anlass des 210. Jahrestages der Schlacht bei Waterloo auch die Beteiligung der damaligen Kriegsteilnehmer aus Recklinghausen. Gleich mehrere Veranstaltungen stehen im Zeichen der Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren.
Die kompakte Übersicht aller Angebote findet sich im soeben erschienenen Programmflyer, der an vielen Stellen in der Stadt ausliegt, so auch im Institut für Stadtgeschichte.
Das Programm im Institut für Stadtgeschichte startet am Montag, 3. Februar 2025, um 18 Uhr mit US-Filmaufnahmen vom Kriegsende 1945 in Westfalen. Binnen weniger Wochen besetzten amerikanische und britische Truppen unter dem Oberbefehl von General Eisenhower ganz Westfalen. Begleitet wurden sie von Kamerateams, die die Besetzung der Region zwischen Ruhr und Weser professionell auf Film festhielten. „Eingebettet“ in die vorrückenden Einheiten drehten die Kameraleute zum Teil spektakuläre Bilder von Sieg und Niederlage, Ende und Neuanfang des Jahres 1945.
Die Produktion des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) mit dem Titel „Als die Amerikaner kamen“ zeichnet kein vollständiges, aber ein sehr facettenreiches und anschauliches Bild vom Kriegsende in Westfalen: Sie zeigt Kampfhandlungen und Kriegszerstörungen ebenso wie die massenhafte Gefangennahme deutscher Soldaten, Begegnungen mit der Zivilbevölkerung, die Befreiung von Zwangsarbeiterlagern, die Entdeckung von Kriegsverbrechen, die Internierung von Funktionären des „Dritten Reiches“ sowie alliierte Siegesfeiern und die allmähliche Rückkehr zur Normalität. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Verein für Orts- und Heimatkunde Recklinghausen statt.
Am Donnerstag, 27. März, um 18 Uhr erinnern Dr. Matthias Kordes und Barbara Ruhnau in der Stadtbibliothek in ihrem Vortrag an Erich Maria Remarques Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“. So wie Remarque in seinem frühen Welterfolg die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkriegs in ihrer epochalen Bedeutung erkannt und beschrieben hatte, so begriff er früher als viele andere den „Zivilisationsbruch“ der nationalsozialistischen Diktatur und behandelte ihn in zwei Romanen.
Am Montag, 28. April, um 18 Uhr thematisiert Dr. Astrid Schulte im Institut für Stadtgeschichte das System der Internierungslager und die dahinterstehenden politischen Konzepte der Westalliierten. Mit dem sogenannten „Camp IV“ in Hillerheide war auch Recklinghausen Standort dieses Lagersystems. Ihr Vortrag beruht auf ihrer jüngst veröffentlichten Dissertation und widmet sich auch der Situation der Internierten selbst. Schulte zeigt auf, wie die Inhaftierten ihre Zeit in den Internierungslagern erlebten und wie sie mit ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit umgingen. Die Internierungslager in Westdeutschland nach 1945 waren ein wichtiges Instrument der Westalliierten in der Übergangsphase zwischen Krieg und Frieden. Sie existierten in einem Zwischenraum, der noch von Ereignissen, Erfahrungen und auch von den Verbrechen des Nationalsozialismus und des Krieges geprägt war. Nichtsdestoweniger sollten sie als Mittel zur Herstellung eines dauerhaften Friedens dienen. Allerdings waren die Lager sowohl von ihrer Anlage als auch von ihrer Konzeption her eigentlich ein undemokratisches Instrument. Sie veranschaulichen daher die Diskrepanz zwischen freiheitlich-demokratischen Grundwerten und dem Versuch, diese Werte mittels Zwang zu vermitteln. Die Internierten nahmen diese Widersprüchlichkeit durchaus wahr und lehnten das System von Beginn an als von den Siegermächten oktroyierten Unrechtsstaat ab.
Am Montag, 12. Mai, um 18 Uhr stellt Tobias Flümann im Institut für Stadtgeschichte einen neuen Fotobestand des LWL vor, zu dem gut 800 Aufnahmen aus Recklinghausen gehören, die vermutlich um 1949 herum entstanden sind. Zum Teil sind dort ganze Straßenzüge Haus für Haus akribisch für die Nachwelt dokumentiert worden. Die Bilder ermöglichen so eine Zeitreise in die Nachkriegszeit und das wiederbeginnende wirtschaftliche Leben. Gerade am Beispiel von Recklinghausen wird deutlich, wie viele Gebäude den Krieg relativ unbeschadet überstanden haben und erst in den folgenden Jahrzehnten aus dem Stadtbild verschwunden sind. Die insgesamt 6.000 Stereo-Negative wurden erst kürzlich vom LWL-Medienzentrum digitalisiert und verzeichnet und ermöglichen eine Zeitreise in das Jahr 1949.
Dr. Dirk Ziesing wirft am Mittwoch, 18. Juni, um 18 Uhr, dem 210. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo, einen Blick auf das Geschehen und auf die die damaligen Kriegsteilnehmer aus Recklinghausen. Napoleon Bonapartes Vormachtstellung in Europa ging nach dem katastrophalen Ausgang des Russlandfeldzugs im Jahr 1812 dem Ende entgegen. 1813 verbündeten sich Frankreichs Gegner zu einer Allianz, der auch Preußen angehörte. Nach seiner ersten Abdankung kehrte der französische Kaiser aber aus dem Exil auf der Mittelmeerinsel Elba im März 1815 noch einmal zurück, und die Herrschaft der Hundert Tage begann. Am 16. Juni erlitten die Preußen bei Ligny im heutigen Belgien eine verlustreiche Niederlage. Doch es sollte Napoleons letzter Sieg sein. Zwei Tage später, vor den Toren Brüssels, nahe dem Dorf Waterloo, war die von dem Briten Wellington geführte Armee gemeinsam mit ihren preußischen Verbündeten siegreich. Der Ausspruch Wellingtons „Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen“ ist in die Geschichte eingegangen. In den ersten Julitagen 1815 zählte die westfälische Landwehr auch zu den Truppen, die bei Paris die letzten Opfer vor dem Waffenstillstand brachten. Der Vortrag im Institut für Stadtgeschichte findet in Kooperation mit dem Verein für Orts- und Heimatkunde Recklinghausen statt.
In seinem Vortrag am Samstag, 5. Juli, um 18 Uhr im Institut für Stadtgeschichte widmet sich Professor Hiram Kümper „Westfalen und der Hanse“. Hanse – das weckt Assoziationen von Koggen und weiter See. Dass die Hanse, dieses so erfolgreiche Zweckbündnis von Kaufleuten und Städten, aber nicht nur „over see“, sondern auch „over land“ handelte, das wird darüber gern vergessen. Westfalen zählt nicht nur zu den Ursprungsregionen der Hanse, es war auch eine der wichtigsten Transitregionen des hansischen Handels. Was das bedeutete und wie der hansische Handel Westfalen prägte, führt der Historiker Hiram Kümper quellennah vor Augen. Kümper, der an der Universität Mannheim einen Lehrstuhl für die Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit bekleidet, veröffentlichte 2020 beim Propyläen-Verlag mit 544 Seiten sein viel beachtetes, sogar auf der SPIEGEL-Bestsellerliste verzeichnetes Buch: „Der Traum vom ehrbaren Kaufmann – Die Deutschen und die Hanse“. Er gilt als Experte der Hansegeschichte, die mit dem Westfälischen Hansetag am ersten Juli-Wochenende 2025 (5./6. Juli) im Mittelpunkt der Recklinghäuser Öffentlichkeit stehen wird.
Nicht zuletzt bietet Stadtarchivar Dr. Matthias Kordes am Dienstag, 25. Februar, um 17 Uhr eine Einführung in die Archivarbeit und -nutzung an. Das Stadt- und Vestische Archiv gehört mit seinen umfangreichen und weit zurückreichenden historischen Überlieferungen zu den bedeutenden Kommunalarchiven in Nordrhein-Westfalen. Es steht der Fachwelt ebenso offen wie allen Bürger*innen, Schulen, Vereinen und Geschichtswerkstätten. Zu seinen gesetzlichen Aufgaben und Dienstleistungen gehören Bewahrung, Erschließung, Zugänglichmachung, Präsentation, Erforschung und Veröffentlichung historischen Schriftgutes. Eine umfangreiche, für jedermann zugängliche Fach- und Präsenzbibliothek steht ebenfalls bereit, sodass historisch-archivisches Forschen und Recherchieren auf hohem Niveau gewährleistet ist.
Die Teilnahme an den Angeboten im Institut für Stadtgeschichte ist kostenfrei, die vorherige Anmeldung unter stadtgeschichte(at)recklinghausen.de ist erwünscht.
Pressefoto: Ein Blick vom Recklinghäuser Altstadtmarkt in Richtung Breite Straße. Links im Bild zu sehen ist ein Teil der Fassade des Karstadt-Gebäudes. Das Foto ist um das Jahr 1949 entstanden. Foto: LWL-Medienzentrum für Westfalen