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Als Industrienation mit der größten Zeitungsvielfalt stellte sich Deutschland 1932 dar: 4703 Tages- und Wochenzeitungen konkurrierten miteinander. Typisch dabei waren die kleinen regionalen „Heimatblätter“, die zu 81% in Familienbesitz waren. Bereits im Sommer 1933 waren die in Parteibesitz befindlichen 49 KPD-Organe und 132 SPD-Zeitungen, darunter das „hoffentlich für immer verbotene rote Hetzblättchen `Volksfreund´“ (so das NS-Gau-Organ „National-Zeitung“ am 15.03.33) enteignet worden.
Unabhängig waren der Bauer-Verlag mit der „Recklinghäuser Zeitung“ und die Vestische Druck- und Verlags AG (Vesdruvag), die u. a. die „Recklinghäuser Volkszeitung“ und sieben weitere Tageszeitungen im Kreisgebiet herausgab. Die massiven Angriffe der NZ gegen beide bezog sich zuerst auf deren politische Richtung bis 1933. Die bürgerliche Linie der RZ wurde als „Konjunkturrittertum“ des sogenannten „Nationalen Heimatblattes“ diffamiert; die RVZ wegen der Verankerung im politischen Katholizismus angegriffen. Gefährlich wurde die Kombination von wirtschaftlichem Konkurrenzkampf und dem Vorwurf politischer Unzuverlässigkeit.
Zum „Judeneldorado“ (NZ 03.06.33) wurde die RVZ bereits gestempelt, als Verleger Bitter dem infolge der Judenboykottaktion vom 1. April 1933 beim Kaufhaus Althoff entlassenen Werbechef Christalla in der eigenen Inseratenabteilung eine neue Arbeit verschaffte. Bis 1935 waren die Anzeigen jüdischer Geschäftsinhaber in RZ und RVZ immer wieder Thema von Angriffen, nach dem Anzeigenverbot dann auch Privatdrucke, wie Verlobungseinladungen o. ä. des Druckereibetriebs Bitter. Tatsächlich verlor die RVZ 1935 den Charakter eines städtischen Amtsblatts. Grund, so die offizielle Verlautbarung der städtischen Pressestelle, war das „würdelose Verhalten der Volkszeitung in der Judenfrage“.
NZ-Artikel Pressedienst entzogen
„Verlagsdirektor Bitter ist ein Staatsfeind!“ titelte die NZ am 16.03.1934 und begann mit diesen und weiteren Beiträgen eine Kampagne wirtschaftlicher und persönlicher Existenzvernichtung. Darin wurden Bitter nicht nur staatsfeindliche Äußerungen im Betrieb „nachgewiesen“, sondern auch Vorwürfe gegen seine Betriebsführung erhoben. Die zweimalige Verhaftung 1934, zwei weitere folgten später, verfolgten das Ziel, den Verleger zur Übereignung von Zeitung und Verlag zu zwingen.
Der Verlust der unternehmerischen Unabhängigkeit der wirtschaftlich schon angeschlagenen Zeitung kam Ende 1935. Untersagt wurde u.a. die „inhaltliche Gestaltung“ im Hinblick auf einen „konfessionell […] bestimmbaren Personenkreis“. Die damit ausgelöste Enteignungsaktion gegen Verleger gilt nach der Arisierung jüdischen Besitzes als „umfangreichste Konfiszierung von Privatbesitz im Dritten Reich“. Sie zwang auch im April 1936 zum Verkauf der RVZ an die Vera-Verlagsgesellschaft GmbH, einer diskreten Tochter des NS-Pressetrusts. Immerhin durfte die neue Bitter & Co. KG die Verlagsrechte für 14 Jahre pachten - ein Vertrag, der aber 1940 endgültig aufgelöst wurde. Die RZ überlebte, nachdem Verlegerin Antonie Bauer 1943 gezwungen worden war, 50% der Anteile an den parteieigenen Gauverlag abzutreten. Redaktionell waren alle Zeitungen an die inhaltlichen Vorgaben des Reichspropagandaministeriums gebunden.
[Vgl. 2.3. „Verlagsdirektor Bitter ist ein Staatsfeind“, in: Geck, Möllers, Pohl, „Wo du gehst und stehst…", Stätten der Herrschaft, der Verfolgung und des Widerstandes in Recklinghausen 1933-1945, Recklinghausen 2002, S. 60-61]